Artikel - "The Next Jordan" Nr.1: Jerry Stackhouse




G: 970;  PTS: 16,9;  TRB: 3,2;  AST: 3,3;  FG%: 40,9;  3P%: 30,9%;  FT%: 82,2;  eFG%: 44,6;  PER: 16,5;

Beginnen möchte ich die Reihe “The next Jordans“ mit einem Spieler, dessen Karriere ich zum Großteil miterlebt habe, ohne mir bewusst zu sein, wie groß der Hype um seine Person vor seinem NBA Debut 1995 war: Jerry Darnell Stackhouse.


Die ersten Jahre in der NBA

An die Leser unter euch, die die NBA nicht schon seit den frühen 90ern verfolgen: Ihr habt richtig gehört - eben dieser Jerry Stackhouse, der seine Karriere 2013 im Alter von 38 Jahren bei den Brooklyn Nets beendet hat, nachdem er fast 10 Jahre lang ständig mit Verletzungen zu kämpfen hatte, wurde Mitte der 90er als potentieller Nachfolger des großen Michael Jordan gehandelt. Wenn man einen Blick auf sein Profil wirft, wird einem ziemlich schnell klar, warum die NBA Fans 1995 auf ihrer verzweifelten Suche nach einem neuen Basketball-Messias dachten, bei diesem Jungen aus Kinston, North Carolina fündig geworden zu sein. In Stacks Rookie Saison bei den Philadelphia 76ers sahen sie einen 21 Jährigen offensiv wie defensiv starken Shooting Guard, der auch für das ein oder andere Highlight-Play gut war. Ausgebildet wurde er übrigens an der heimischen University of North Carolina und gepickt an 3. Stelle… das kommt einem doch irgendwie bekannt vor 🤔….

Klar merkte man schon während Stacks Rookiesaison, dass der Vergleich mit MJ etwas hochgegriffen war. Dennoch zeigte er mit 19 Punkten, 4 Assist, 2 Stocks und der Berufung ins All Rookie First Team, dass mit ihm in Zukunft zu rechnen sein sollte. Neben seinen starken spielerischen Leistungen fiel „House“ auch durch seine harte Gangart auf, die leider auch mal in tätliche Angriffe ausuferte. Beim Spiel gegen die Utah Jazz ging Stack nach einem Wortgefecht wutschnaubend auf Jeff Hornacek los, weshalb ihn die NBA direkt für zwei Spiele sperrte. Darüber hinaus machte er die Sixers in seiner Rookiesaison nicht besser, sie verloren sogar noch sechs Spiele mehr als im Vorjahr und dümpelten mit gerade mal 18 Siegen im Tabellenkeller der NBA herum.

Dennoch konnte man wohl im Sommer 1996 einen Case dafür machen, dass Jerry Stackhouse die Zukunft gehören sollte. Doch nach der darauffolgenden Draft sollten sich die Vorzeichen abrupt ändern. Mit dem ersten Pick sicherten sich die Sixers nämlich einen gewissen Allen Iverson, der schon in seinem ersten Jahr Stacks Leistungen aus dem Vorjahr in den Schatten stellte. Zwar schaffte es Stackhouse seine Punkteausbeute auf knapp 21 Punkte pro Spiel zu verbessern und gemeinsam mit A.I. mit über 44 Punkten im Schnitt einen der besten offensiven Backcourts der Liga zu bilden, dennoch waren die Sixers mit gerade einmal 22 Siegen 1997 immer noch meilenweit von den Playoffs entfernt. Die beiden jungen Guards waren sich einfach zu ähnlich und konnten in den Augen der Sixers auch in Zukunft nicht zusammen auf dem Feld harmonieren. Man musste sich also perspektivisch für einen der zwei jungen Stars entscheiden, und wie die meisten bereits wissen werden, entschieden sich die Sixers für Allen Iverson als neues Aushängeschild der Franchise aus der Stadt der brüderlichen Liebe. Jerry Stackhouse hingegen wurde während der Saison 1997/98 nach 22 Spielen für Philly nach Detroit getradet (Im Gegenzug kam u.a. Theo Ratliff nach Philly). 


Stacks kurze Prime in Detroit

In dieser Saison, in der er den Großteil der Spiele für die Pistons von der Bank kam, verschlechterte „House“ seinen Punkteschnitt drastisch auf gerade einmal knapp 16 PPG. Auch die Saison 1998/99, in der Stack wegen einer Verletzung nur 42 Spiele für die Pistons bestreiten konnte, verlief nicht nach Plan.

Mit gerade einmal 25 Jahren schien nicht klar, wo Stacks Reise hingehen sollte und ob er bei den Pistons neben Grant Hill eine Zukunft haben sollte. Doch entgegen aller Zweifel begann mit der Saison 1999/2000 die individuell beste Zeit in Stackhouse‘ Karriere. In dieser Saison legte er knapp 24 Punkte auf. In der darauffolgenden, nachdem Hill das Team verlassen hatte, steigerte er sich sogar auf knapp 30 Punkte, womit er hinter Allen Iverson der zweitbeste Scorer der NBA war. Mit 57 Punkten beim Sieg über die Chicago Bulls stellte er sogar einen neuen Franchiserekord für die Pistons auf. Folgerichtig wurde er in diesem Jahr zum ersten Mal ins All-Star Team der Eastern Conference berufen. 

Diese Zahlen wirken auf den ersten Blick so, als sei der Michael Jordan-Vergleich möglicherweise doch nicht allzu weit hergeholt. Allerdings schafften es die Pistons, trotz Stacks starken individuellen Leistungen, gerade mal 32 Spiele zu gewinnen und verpassten folglich die Playoffs. Seine außergewöhnlichen Zahlen gepaart mit der unfassbaren Defense von Ben Wallace, der gerade seine erste Saison in Detroit gespielt hatte, ließen aber dennoch auf eine rosige Zukunft von Stackhouse in Detroit hoffen. In der Saison 2001/02 schien denn auch alles besser für das Team aus der Motor City zu laufen. Stack scorte zwar „nur noch“ gut 21 Punkte pro Spiel, womit er aber immer noch klarer Topscorer der Pistons war, die im Vergleich zur Vorsaison 18 Spiele mehr gewannen und in die Playoffs einziehen konnte. Erwartungsgemäß wurde Stackhouse in dieser Saison zum zweiten Mal All-Star. Trotz dieser deutlichen Verbesserung im Vergleich zum Vorjahr hatten die Pistons kein Vertrauen in ihren Top-Scorer und tradeten ihn vor der Saison u.a. für Rip Hamilton zu den Washington Wizards. 


Vom Scoringleader zum Sixth Man: Stackhouse in Washington und Dallas

Individuell konnte Stack in der Saison 2002/03 zwar an seine Leistung aus dem Vorjahr anknüpfen, verpasste aber mit Washington, die außer ihm und einem uralten Michael Jordan auf seiner letzten Runde kaum über nennenswertes Talent verfügten, die Playoffs. Den Großteil der Saison 2003/04 verpasste „House“ aufgrund einer Knieverletzung. Im Sommer darauf wurde der inzwischen 30-jährige Flügelspieler für Antawn Jamison nach Dallas getradet. Spätestens dort war klar, dass er keine Starrolle mehr einnehmen sollte. Die Mavericks sahen in ihm eher eine verlässliche Scoringoption von der Bank. In seinen ersten vier Saisons in Dallas konnte er diesen, inzwischen stark verminderten, Ansprüchen an seine Person trotz gelegentlicher Schwankungen einigermaßen gerecht werden. Er scorte zumindest immer zweistellig und die Mavericks erreichten jedes Jahr die Playoffs. Allerdings hätten seine Leistungen bestimmt noch deutlich besser sein können, wenn er nicht permanent mit Verletzungen zu kämpfen gehabt hätte. So war er den Großteil seiner Zeit in Dallas zwar ein Schatten seiner selbst, aber meist noch ein produktives Mitglied eines der stärksten Teams der Western Conference.


Der leise Abgang eines Supertalents

In der Saison 2008/09 verletzte Stack sich abermals so schwer, dass er gerade einmal 10 Spiele bestreiten konnte. Damit ging seine Zeit bei den Mavericks still und leise zu Ende. In den Jahren darauf versuchte er immer wieder Fuß in der Liga zu fassen, kam aber nicht über kleine Rollen bei den Bucks, Heat, Hawks und Nets hinaus. Nach dem Aus der Nets in der ersten Runde der 2013er Playoffs gegen die Chicago Bulls beendete Stack schließlich seine aktive NBA Karriere.


Wie viel Jordan steckte in Jerry Stackhouse?

In dieser Reihe soll es nicht darum gehen zu zeigen, dass einer der portraitierten Spieler unter gewissen Umständen der nächste MJ hätte sein können. MJ war der beste Spieler seiner Zeit und das wird er auch für immer bleiben. Ich möchte hier eher die Karrieren der Spieler losgelöst vom Jordan Vergleich bewerten und zeigen, dass einige von ihnen vielleicht besser waren, als gemeinhin gesehen werden. 

Die Karriere-Stats von Jerry Stackhouse wirken in ihrer Gesamtheit auf den ersten Blick nicht besonders aufregend. Sie sehen aus, wie die eines typisch eindimensionalen Scorers, dessen Ego größer ist als sein Talent, der immer abdrückt sobald sich die Möglichkeit dazu ergibt, ohne dabei sonderlich effizient zu sein. Auch seine verhältnismäßig vielen Trades, trotz starker individueller Leistungen, sprechen deutlich dafür. Er wirkt wie ein Spieler, dem sein früher Ruhm zu Kopfe gestiegen ist und der nie eingesehen hat, dass er „nur“ ein Rollenspieler in der NBA sein sollte. Wenn man Stacks Karriereverlauf aber genauer betrachtet, merkt man, dass das höchstens die halbe Wahrheit ist. Das erste unüberwindbare Hindernis in seiner Karriere war die Draft 1996. Durch die Verpflichtung von Allen Iverson wurde Stack, trotz seiner starken Rookiesaison, aller Chancen beraubt die Sixers anzuführen. Die Tatsache, dass Stack nicht mit AI zusammengepasst hat, lag nur bedingt an den beiden Spielern und wird dem Frontoffice der Sixers bei der Draft sicher bewusst gewesen sein. Stack war also schon nach der ersten Saison entbehrlich und musste sich in seiner dritten Saison in einem neuen Team beweisen. Hier wurde er nun das erste Mal von einer schweren Verletzung zurückgeworfen, von der er sich aber erholte und als All Star zurückkam. Trotz dieser schweren Umstände schien er nun sein Potential zu realisieren und zu einem der besten Guards der Liga zu reifen. Wie das Leben manchmal spielt hatten die Pistons aber andere Pläne und schickten ihn nach Washington, wo es sportlich um nichts ging, womit ein großer Teil seiner Prime verschenkt wurde. Hinzu kam, dass er seit seinen späten 20ern nie mehr frei von Verletzungen war. Wer weiß was für ein Spieler aus ihm geworden wäre, wenn ihn die zahllosen Verletzungen nicht so oft zurückgeworfen hätten? Diese Frage werden wir uns im Laufe dieser Artikel-Reihe leider noch häufig stellen müssen…

Für mich persönlich zeigt die Zeit in Dallas Stacks Größe und beweist ganz klar, dass er kein stumpfer Egozocker war. Obwohl er trotz seiner vielen Verletzungen ein 20+ Punkte Scorer war, akzeptierte er die Rolle als Sixth Man in Dallas und trug, trotz vieler weiterer Verletzungen, seinen Teil zu den Erfolgen der Mavericks bei. An dieser Stelle seiner Karriere hätten viele Spieler den Kopf in den Sand gesteckt und die NBA Karriere beendet oder ohne Rücksicht auf den Teamerfolg weiterhin versucht so viel wie möglich zu scoren. Seine vielen Comeback Versuche nach seiner Zeit bei den Mavs zeigen, was für ein außerordentlicher Kämpfer Jerry Stackhouse war, der trotz der vielen Rückschläge niemals aufgegeben hat und so auf eine großartige NBA Karriere zurückblicken kann – auch wenn er nicht „The next Jordan“ war, keinen Titel gewonnen und nur wenige persönliche Auszeichnungen erhalten hat.

„We ain´t talkin´ about practice, we talkin´the game”                                                    

Euer Marius

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